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Es ist nicht besonders bemerkenswert, dass Sasha Waltz ein Gebäude eröffnet, das mit Tanz im engeren Sinne nichts zu tun hat – das machte die Choreografin schon mehrfach, im Jüdschen Museum Berlin etwa oder im Maxxi Rom, Museumsbauten allesamt. Mit der Hamburger Elbphilharmonie aber hat Waltz ein Gebäude vor sich, das sich einer einfachen Bespielung verweigert, ein Gebäude, das einerseits den Etat der Hansestadt über Gebühr belastet hat, angesichts unzähliger Bauverzögerungen, Kostensteigerungen, das andererseits als Leuchtturmarchitektur gefährlich häufig über seinen Ruf als Tourismusmagnet rezipiert wird und mehr Spekatkel zu sein scheint als echte Kultur, und das drittens als Haus für die Kunst doch einen gewissen Wert hat – in Frankfurt ist Herrschaftsarchitektur die Architektur des Kapitals, in Rom ist sie die Architektur des Glaubens, und in Hamburg ist sie ein Konzertsaal, das muss man als Statement schon honorieren.

Und Waltz honoriert.

Mit „Figure Humaine“, einem Tanzstück, das die Foyers, Treppenhäuser und auch den Großen Saal der Elbphilharmonie für die Kunst in Besitz nimmt, pathetisch, lustig, orgiastisch, karnevalesk, affirmativ, subversiv, als großer Rausch. „Figure Humaine“ ist eine Eröffnungsinszenierung, also keine eigenständige Kunst, sondern ein sinnliches Fest, das den Anlass unterläuft und travestiert – ein Tanzabend, der weiß, welche Abgründe dieses Haus beinhaltet und der der Kunst dennoch ihr Recht zugesteht.

Sasha Waltz & Guests: Figure Humaine, Elbphilharmonie Hamburg, 1. 1. 2017

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