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Anne Juren: Anatomie. 29.07.2017, ImPulsTanz, Kasino Am Schwarzenbergplatz, Wien.

Wir befinden uns augenscheinlich im Darm, er ist mit Luft gefüllt, aufgeblasen, glänzt schwarzmatt, und er liegt mal gemetzelt in den Ecken, meist aber biegt er sich über uns, wo er, ein bisschen ungenutzt schön, sein ganzes Potenzial mit sich trägt – inmitten wehender Luft und gedimmten Lichts verändern sich die Formen kaum merklich, nur manchmal knistern die Wülste leise.

Ein Mikrophon am Handrücken befestigt, befühlt Anne Juren den Raum und verstärkt ihre Berührungen zu einer akustischen Klangkulisse, während sie den Weg dieser Traumreise mal lesend, mal gehend beschreitet, das Gesprochene mit Aufgenommenem überlagert und sich zwischenzeitig entkabelt, um sich nass-heftig mit dem zuvor verdeckt dagelegenen Performer zu reiben und anschließend zu Gemüse überzugehen.

Der Blick wird aber nicht nur durch die Performer*Innen gelenkt, denn – auch wenn die Texte sich sehr ähneln, ist es anders als 2015 bei „THE POINT“ im 21er Haus, wo der Rahmen einen Yoga-ähnlichen Zustand des konzentrierten, in sich gekehrten Zuhörens ermöglicht hatte – der Raum hier, von Vladimir Miller, ist skulpturale Bühne (Stichwort Darm), und das macht es schwer, von meinem fixierten Platz aus die Aufmerksamkeit so auszurichten, dass die teils illustrierenden Ebenen sich nicht im Weg stehen.

Und auch wenn andere trotz Platzmangel schon tiefenentspannt schnarchen (was im Setting des 21er Hauses Teil der Erfahrung sein durfte) kann ich nur, wenn ich die Augen schließe, der Buñuelschen Zunge folgen, die zuerst an meinem Knöchel leckt und mich dann mit auf eine Tour durch einen Körper nimmt, der seine Form und sein Geschlecht laufend wechselt. Wohin genau?

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