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Dimitris Papaioannou/Tanztheater Wuppertal: Neues Stück I. Seit sie. 12.05.2018. Opernhaus Wuppertal.

Es gibt mehrere Arten, irrationale Bilder zu ordnen: psychologisch, psychoanalytisch, nach Symbolen, kategorisch, ästhetisch, atmosphärisch… Dimitris Papaioannou scheint in seiner Choreografie „Seit sie“ für das Tanztheater Wuppertal (der ersten abendfüllenden seit sie, Pina Bausch, im Reich des rational nicht Fassbaren verschwunden ist) vor allem an einer atmosphärischen Ordnung interessiert – was legitim ist, mal abzüglich der schlechtesten Szene, die trotz einer superoriginellen Eisprungvariante ganz schlechte Kulinarik bleibt: frisch aus der Vagina gepresstes Spiegelei an gebratenem Penis (alias Weißwurstattrappe). Kochbücher können Schlimmes im Triebleben anrichten, das ist bekannt, aber die wassergefüllten Weingläser, die am schimmernden Bühnengrund auf einem seeanemonen-gleich angeordneteten Haarstrahlenkranz kredenzt und auf dem Tafelkleid der Haartentakeln fortbewegt werden, machen es wett! Und wie hier Stühle und Tische, wie aus dem Hades gesehen, mit den Beinen nach oben stehen, wie die Tische zu Flößern und Gondeln werden und all die Tänzer*innen zu Fährmännern des Todes, ach, das ist traurig und epigonal und romantisch und ahnenkultig und rührend und Kitsch und sentimental, aber von einem Großmeister der Kybernetik am Rand einer Schaumstoffmatratzen-Abraumhalde so perfekt arrangiert, dass selbst Menstruieren nach (Bauern-Omelett-)Rezept eine Option scheint. Sinn egal, Form vollendet, Amen.

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