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Welly O’Brien: The Fainting Couch. 16.11.2019. Sophiensæle, The Space In-Between (Berlin Edition) im Rahmen des NO LIMITS Festivals.

In dem als Veranstaltungsauftakt gezeigten Film “The Space In Between” spricht die Künstlerin Welly O’Brien von der Performativität in der Behinderung: „Sobald du auf die Straße trittst, wirst du aufgrund deiner Andersartigkeit angeschaut, werden deine Bewegungen mit Augen begleitet. Ob du es möchtest oder nicht, du befindest dich bereits in einem performativen Zustand.“

Auf einer Tischreihe steht ein hellbraunes, abgewetztes Sofa, the fainting couch. Eine Frau, im blau-weißen Pailletteneinteiler einer Zirkusakrobatin oder glamorösen Salondame gekleidet, schaut auf das Publikum nieder. Begleitet von einer säuselnden Blues-Stimme bewegt sie sich von der einen zur anderen Sofalehne, die hart hochgezogenen Augenbrauen und breiten Lippen ihrer Gesichtsmaske verschärfen ihren Blick, machen ihn schneidend, fast unangenehm. Wie bei einer Dragqueen wirkt der Ausdruck karikiert, auf den verstärkten Effekt beim Betrachter angelegt.

Diese Härte in den Zügen der Maske steht jedoch im Kontrast zu der Weichheit der Bewegungen der Performerin, die sich an das Sofa anschmiegt und von der Musik umschmeichelt wird. Während sie in ruhiger Konzentration von einer Sofaseite zur nächsten wechselt, wird je nach Sitzlage der Stumpf ihres rechten Beines verdeckt oder tritt durch einen elegant ausgeführten Schwung der Hüfte in Erscheinung.

Im vollen Bewusstsein und Vertrauen auf ihre Wirkung hält die Performerin das Publikum im Blick, ist lasziv, jedoch ohne jeglichen Anklang von Obszönität oder Narzissmus aufkommen zu lassen. Den Zuschauer*innen ausgesetzt und doch durch Maske und weiße Perücke versteckt, gibt sie sich den weichen Bewegungen ihres Rückens, ihrer Arme hin und schaut gleichzeitig eine Person nach der anderen an, von links nach rechts, wieder und wieder. Die „Fainting Couch“ ist eine „Observing Couch“ geworden, auf die man nicht ermattet niedersinkt, sondern konzentriert performt.

An den wenigen Minuten des Bluesgesangs entlang flicht sich eine Dramaturgie, die das Spiel mit der Macht, mit Spannung und subtiler Nervosität zu betreiben scheint.
Gegen Ende der Performance sind es die Knie des Publikums, die weich werden; das Möbelstück, auf das man sich des Blickens erschöpft retten möchte, bleibt jedoch der Dame in Blau vorbehalten.

 

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